Sehr geehrter Herr Präsident,
sehr geehrte Damen und Herren,
normalerweise sind wir Niedersachsen ja sturmfest und erdverwachsen. Aber was ist, wenn sich um einen herum plötzlich das eigene Haus gefühlt um zehn Zentimeter anhebt und wieder in sich zusammensackt und wenn Gläser klirrend in der Vitrine wackeln? In der Nähe meines Heimatortes Kirchlinteln waren am 20. November die Epizentren gleich zweier Erdbeben, die durch Erdgasförderung hervorgerufen wurden. Viele Menschen sind in großer Sorge. Dass Kirchlintelns Ortsvorsteher heute hier ist, zeigt die große Betroffenheit der Region.
Vor diesem Hintergrund fordern wir als SPD und CDU mit dem heute zur Abstimmung stehenden Antrag, dass die Landesregierung dem Landtag zeitnah wirksame Maßnahmen vorschlägt, wie die Bevölkerung der von Erdgas- oder Erdölförderung betroffenen Regionen künftig vor Erdbeben geschützt werden soll. Zum Schutz der Menschen kommt es aber auch auf den Trinkwasserschutz an.
„Der Schutz des Trinkwassers hat für uns absoluten Vorrang vor wirtschaftlichen Interessen.“ Das steht so in der rot-schwarzen Koalitionsvereinbarung für Niedersachsen und danach handeln wir heute:
Auf dem Weg zu besserem Trinkwasserschutz sind verpflichtende Umweltverträglichkeitsprüfungen der nötige Schritte nach vorn. Mit Umweltverträglichkeitsprüfungen können vorsorgend mögliche Auswirkungen von Vorhaben wie etwa Erdgas- oder Erdölbohrungen auf die Umwelt geprüft werden. Die Öffentlichkeit wird beteiligt.
Nun liegt uns heute im Landtag der Entwurf der Landesregierung für ein neues Niedersächsisches Umweltverträglichkeitsprüfungsgesetz vor. Er passt das Gesetz an verändertes EU-Recht an. Im Zusammenhang mit diesem Gesetzentwurf stand die Frage zur Debatte, wie, durch welche Regelungen Umweltverträglichkeitsprüfungen am besten dazu beitragen können, den Vorrang des Trinkwasser- und Gesundheitsschutzes durchzusetzen.
Die Landtags-Grünen wollen bei Erdgas- und Erdölbohrungen per Landesgesetz regeln, wenn Fragen des Naturschutzes oder Wasserrechtes betroffen sind. Leider ist das eine Scheinlösung. Denn zur einen Hälfte ist das leider gar nicht möglich und zur anderen Hälfte nicht praktikabel: Sofern es um den Naturschutz geht, haben wir als Land dafür leider keine Gesetzgebungskompetenz.
Die seit März (!) vorliegende Stellungnahme des Gesetzgebungs- und Beratungsdienstes des Landtags macht das deutlich. Soweit das Wasserrecht betroffen ist, könnte eine Landes-Umweltverträglichkeitsprüfung, kurz: UVP, dazu führen, dass eine UVP-Vorprüfung nach Bundesrecht und eine UVP nach Landesrecht parallel laufen. Das ist nicht nur bürokratisch, das versteht auch kaum einer mehr. Dabei soll sich im Rahmen von Umweltverträglichkeitsprüfungen doch gerade die Öffentlichkeit beteiligen können!
Deswegen haben wir uns als SPD und CDU gemeinsam für eine viel bürgerfreundlichere Lösung in zwei Schritten entschieden:
Schritt 1: Wir haben jetzt eine De-Facto-UVP-Pflicht in Wasserschutzgebieten. Das niedersächsische Wirtschaftsministerium, das Umweltministerium und die Staatskanzlei haben die am Montag per Erlass eingeführt. Allen Beteiligten herzlichen Dank dafür! Wie das funktioniert? Dem neuen Erlass folgend endet die nach Bundesrecht vorgesehene Umweltverträglichkeitsvorprüfung in niedersächsischen Wasserschutzgebieten jetzt in aller Regel mit dem Ergebnis, dass eine UVP durchgeführt werden muss.
Umweltverträglichkeitsprüfungen nur in Wasserschutzgebieten, das reicht uns aber nicht aus.
Wir wollen deswegen im zweiten Schritt die große Lösung: Wir fordern die Landesregierung auf, einen Gesetzentwurf in den Bundesrat einzubringen. Der soll u. a. darauf abzielen, die UVP-Regelungen auf Bundesebene so zu ändern, dass für alle Erdgas- oder Erdölbohrungen unabhängig von der Fördermenge und der Tiefe eine Umweltverträglichkeitsprüfung verpflichtend vorgeschrieben wird. Weitere Bohrungen und Bohrvorhaben in räumlicher Nähe müssen berücksichtigt werden.
Mit unserem Antrag wollen wir aber auch die Sicherheit der bestehenden Bohrplätze erhöhen. Deswegen fordern wir ein repräsentatives Monitoring der dort entstehenden Emissionen, bei dem alle Messwerte öffentlich zugänglich gemacht werden. Den Bürgerinitiativen und allen anderen, die sich hierfür bereits gemeinsam mit mir engagiert haben, gebührt an dieser Stelle ein ganz großes Dankeschön!
Die Mindestabstände zu Gasbohrungen hier im Land liegen bisher bei nur 100 Meter zu Wohnbebauung im Außenbereich oder 200 Meter bei geschlossener Wohnbebauung. Die Ende 2018 veröffentlichte sogenannte Abstandsstudie weist auf einen Zusammenhang zwischen der Häufigkeit hämatologischer Krebserkrankungen bei Frauen und einer Wohnortnähe von unter 1000 Meter zu Erdöl- und Erdgasförderanlagen hin. Das ist der Hintergrund unserer Bitte, einen Mindestabstand 2000 Meter von Erdgasförderstätten zu Wohnbebauung zu prüfen.
Sehr geehrte Damen und Herren,
jede Bohrung birgt immer ein Risiko.
Dort, wo unser kostbarstes Gut, unser Trinkwasser gefördert wird, bin ich nicht bereit, dieses Risiko einzugehen. Wir brauchen ein Verbot der Erdgas- und Erdölförderung dort, wo Trinkwasser gefördert wird.
Im bisherigen Dialog von Umweltminister Olaf Lies haben viele Akteure diese Forderung zum Thema gemacht. Und das ist gut so!
Es ist zu begrüßen, dass der Dialog fortgesetzt wird. Lassen Sie uns heute beschließen, dass zeitnah wirksame Maßnahmen vorgelegt werden, wie der Vorrang des Trinkwasserschutzes vor der Erdgasförderung noch besser umgesetzt werden soll. Die Menschen in den betroffenen Regionen bauen auf uns!