SPD-Basis diskutiert in Langwedel

Bericht über den offenen Mitgliederabend im Gasthaus Klenke, den ich in Vertretung des erkrankten SPD-Vorsitzenden Bernd Michallik moderiert habe. Erschienen in der Verdener-Aller-Zeitung am 16.02.2018


Was sagt die Parteibasis zum Koalitionsvertrag mit den Unionsparteien zur Bildung einer Großen Koalition? Ist dabei die sozialdemokratische Handschrift genügend erkennbar? Um diese Fragen zu diskutieren, hatte die SPD ihre Mitglieder aus dem Landkreis Verden zu einem offenen Mitgliederabend ins Gasthaus Klenke nach Langwedel eingeladen.

Etwa 60 Sozialdemokraten kamen. In Vertretung des erkrankten Kreisvorsitzenden Bernd Michallik moderierte Dr. Dörte Liebetruth, eine seiner Vertreterinnen, den Abend – und sprach von unruhigen Zeiten, in denen sich die Partei befinde.

Die Kreisverdener Sozialdemokraten, zumindest an diesem Abend in Langwedel, stand dem Koalitionsvertrag meist positiv gegenüber. Wenn auch teilweise mit geballter Faust in der Tasche.

In wenigen Tagen haben alle SPD-Mitglieder die Möglichkeit, über den Koalitionsvertrag abzustimmen. „Gelebte Basisdemokratie“, so Dörte Liebetruth. „Darauf können wir stolz sein.“ Sie verwies auf einen Bericht in der Frankfurter Allgemeinen Zeitung, nach dem der Koalitionsvertrag zu 70 Prozent die Handschrift der SPD trage. Eine SPD-Regierungsbeteiligung sei wichtig, da es andernfalls im Bundestag eine rechte Mehrheit gebe. „Dann haben wir es nicht mehr in der Hand.“

Wächter warnte vor einer Entfremdung der Basis von der SPD-Spitze

Auf Wunsch erläuterte Liebetruth bestimmte Passagen des Koalitionsvertrages. Der enthält ein starkes Europakapitel, die Entlastung von Familien, etwa durch einen Rechtsanspruch auf die Ganztagsschule. Kinderrechte sollen im Grundgesetz verankert und die Digitalisierung beschleunigt werden. Befristete Arbeitsverträge sollen nicht mehr bis unendlich neu befristet verlängert werden können. Die gesetzliche Rente soll mit 48 Prozent bis 2025 gesichert sein, das Grundrecht auf Asyl werde nicht ausgehöhlt. Schließlich enthalte der Vertrag auch Maßnahmen zum Klimaschutz.

„Ganz wichtig aber ist, dass der Koalitionsvertrag nach zwei Jahren überprüft wird. Dann kann gesehen werden, was umgesetzt wurde“, so Dörte Liebetruth. Hans-Jürgen Wächter warnte vor einer Entfremdung der Basis von der SPD-Spitze und plädierte für den Vertrag, da die Partei in der aktuellen Situation auch Verantwortung übernehmen müsse. „Kleine Schritte sind besser als keine Schritte.“

Landrat Peter Bohlmann wies darauf hin, dass nach dem Scheitern der Jamaika-Koalition eine historisch neue Situation entstanden sei. „Wir laden uns eine große Verantwortung auf unsere Schultern. Jedes Mitglied sollte bedenken, welche Folgen eine Ablehnung für die Partei und das Land haben würde.“

„Super-GAU“ Neuwahlen

Die ehemalige niedersächsische Frauenministerin Christina Bührmann beklagte, dass in den vergangene Jahren keine Perspektiven entwickelt wurden und stellte die Frage, „wo unsere Zukunft liegt“. Auch Bührmann machte sich für eine Zustimmung zum Koalitionsvertrag stark.

Der Vorsitzende der SPD-Kreistagsfraktion Heiko Oetjen sich vor einiger Zeit noch für ein „Nein“ ausgesprochen, warnte nun aber vor einer Ablehnung des Vertrags, da dann folgende Neuwahlen der „Super-GAU“ wären. Für eine 20-Prozent-Partei seien 70 Prozent SPD-Handschrift im Vertrag gar nicht so schlecht, fand Oetjen. Für Richard Eckermann stand fest: „Wir müssen in die Regierung, wenn wir mitgestalten wollen.“ Und das gelte für Land und Politik.

Es meldeten sich an diesem Abend auch Gegner der Großen Koalition zu Wort. Vor allem jüngere Mitglieder mochten in dem Vertrag keine Perspektive für die Zukunft. Die SPD solle sich in der Opposition erneuern, da sonst alles beim Alten bliebe, so der Tenor. Auch das SPD-Urgestein Alfred Eggers lehnte den Vertrag ab. Er sei 70 Jahre in der Partei und habe viele Entwicklungen mitgemacht, auch unruhige Zeiten wie diese. Da aber der Vertrag für ihn zu wenig Konkretes enthalte, könne er ihm nicht zustimmen.

Die eindeutige Tendenz des Abends lief aber auf eine mehrheitliche Zustimmung zum Koalitionsvertrag hinaus. Abschließend wurde gefordert, dass der SPD-Kreisvorstand sich nach einer Entscheidung, egal wie sie ausfällt, wieder zusammensetzt und die Erneuerungen der SPD in Angriff nimmt. „SPD-Arbeit ist nicht immer vergnügungssteuerpflichtig“, meinte dann Dörte Liebetruth zum Schluss einer diskussionsfreudigen Versammlung.


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Veröffentlicht mit freundlicher Genehmigung der Kreiszeitung Verlagsgesellschaft mbH und Co.KG