Ein Marsch als erste Aktion

Bericht über den Spaziergang gegen Gasbohren in Scharnhorst, erschienen in den Verdener-Nachrichten am 10.12.2017; Autorin: Ivonne Wüsthof.


Es ist ein Thema, das spaltet: die Erdgasbohrung. Auf der einen Seite stehen der Bedarf an und die Förderung von Ressourcen. Auf der anderen Seite stehen die Gefahren, die die Förderung von Erdgas mit sich bringt. Nachdem es bereits einige Bohr- und Förderstellen im Verdener Kreisgebiet gibt, ist eine neue Erdgasförderstelle im Gespräch. Sie heißt Z4 und steht, zwischen Scharnhorst und Holtum-Geest, in unmittelbarer Nähe des Trinkwasserwerkes Panzenberg. Um die Erdgasförderung im Wasserschutzgebiet zu verhindern, trafen sich nun Mitglieder der Bürgerinitiative Walle, Anwohner, Politiker und Interessierte an jenem Standort zu einer ersten Protestaktion.

Bereits vor einigen Jahren hatte die dortige Verpressstelle von Lagerstättenwasser mit dem Namen H1 für einen Umweltskandal gesorgt. Jahre nach der Stilllegung hat die Deutsche Erdöl AG (Dea) die Genehmigung zur Lagerstättenwasserverpressung vor wenigen Wochen endgültig zurückgegeben. Nun soll im Trinkwasserschutzgebiet Panzenberg (Zone III) nach Erdgas gebohrt werden. Ein entsprechender Antrag liegt dem Landesbergamt in Hannover schon vor. Ein Unding, wie die Bürgerinitiative „Walle gegen Gasbohren“ findet. Sprecher und Organisator Martin Busch erklärte weshalb: „Bei der Erdgasförderung werden auch die Trinkwasserschichten im Boden durchbohrt. Man weiß bisher nicht, welche Schadstoffe sich im Untergrund befinden. Es wird die Verseuchung und Gefährdung des Trinkwassers in Kauf genommen.“ Das hätte seinen Ausführungen nach nicht nur Konsequenzen für die Trinkwasserversorgung in der Region Verden, sondern auch für die Wasserversorgung Bremens, das einen Teil seines Wassers aus dem Brunnen Panzenberg bezieht.

 „Es ist eine erste Aktion“, sagte Busch über den Protestspaziergang. „Wir wollen den Menschen zeigen, wo genau die Bohrstelle geplant ist, ihnen einen geografischen Überblick verschaffen.“ Mehrere Dutzend Menschen kamen am Sonntagmorgen zum Treffpunkt hinterm Scharnhorster Eisenbahntunnel an der K 28. Einige hatte Plakate, Transparente und Trillerpfeifen mitgebracht, um ihren Protest noch mehr Ausdruck zu verleihen. Zwei Kilometer umfasste die Marschstrecke, die vom Startpunkt zum Trinkwasserbrunnen Panzenberg und wieder zurück führte.

Auch wenn sich die Dea von einem derartigen Protest nicht einschüchtern ließe, sei es einer der ersten Schritte, sagte Busch: „Es wurde eine Umweltverträglichkeitsprüfung gefordert. Hierbei muss die Dea ihre Unterlagen offenlegen, sodass Einwände erhoben werden können.“ Diese Einwände werden ein weiterer Schritt der Bürgerinitiative sein, um die Erdgasbohrung in Scharnhorst zu verhindern.

„Trinkwasser wertvoller als Erdgas“

Verdens Bürgermeister Lutz Brockmann lobte das Engagement der Bürgerinitiative. „Im Stadtrat wurde bereits eine Resolution zur Gasförderung beschlossen“, erinnerte er. Denn die Gefahren der Gasförderung für Trinkwasser aber auch Erdbeben dürften nicht unterschätzt werden: „Sauberes Trinkwasser ist viel wertvoller als Erdgas.“ So sehen es auch die Bürger, die sich am Protestmarsch beteiligt haben. Einer von ihnen ist Hermann Ubben: „Ich bin heute hierher gekommen, um ein Zeichen zu setzen. Ein Zeichen, dass wir die Gefährdung unseres Trinkwassers und unserer Umwelt nicht einfach so in Kauf nehmen.“

Aus den Reihen der Politik erklärte die Landtagsabgeordnete Dörte Liebetruth (SPD): „Im rot-schwarzen Koalitionsvertrag hat der Trinkwasserschutz oberste Priorität.“ Es sei im Gespräch, ob das Verbot des Bohrens nach Erdgas, aber auch Erdöl, in Wasserschutzgebieten in die „Verordnung über Schutzbestimmungen in Wasserschutzgebieten“ aufgenommen wird.

Ebenfalls am Sonntag veröffentlichen die Mitglieder des Ortsrates Borstel einen offenen Brief, in dem es heißt: „Mit großer Besorgnis nehmen wir zur Kenntnis, dass im Wasserschutzgebiet Bohrungen vorgenommen werden sollen, um Erdgas zu fördern.“ Da eine Begrenzung der Gasförderung in sensiblen Bereichen nur durch die Schaffung entsprechender rechtlicher Rahmenbedingungen möglich sei, fordert der Ortsrat eben Dörte Liebetruth, aber auch die Bundestagsabgeordneten aus der Region, Gero Hocker (FDP) und Andreas Mattfeldt (CDU) auf, „zusammen mit ihren Fraktionen und den Regierungen in Hannover und Berlin entsprechende Gesetzesänderungen vorzunehmen“.


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Veröffentlicht mit freundlicher Genehmigung der WESER-KURIER Mediengruppe